Ort: Parchim Zwischen Mecklenburgischer Seenplatte (westl. der A19), Sternberger Seenland und Güstrower Land
Stadtbeschreibung
Parchim (umgangssprachlich auch: Pütt) ist die Kreisstadt des Landkreises Parchim in Mecklenburg-Vorpommern, 40 km südöstlich der Landeshauptstadt Schwerin. In der amtsfreien Stadt Parchim befindet sich der Verwaltungssitz des Amtes Parchimer Umland, dem 15 Gemeinden angehören. Die Stadt ist eines der 18 Mittelzentren des Landes.
Name
Der Name Parchim ist aus dem Slawischen abgeleitet. Nach einer sehr freundlichen Version soll der Name von dem Sonnengott Parchom abstammen. Der altpolabische Name Parchom könnte andererseits von parch abstammen und übersetzt aus dem polnischen/ niedersorbischen etwa Räude heißen und somit Ort der wüsten Feldmark bedeutet haben.
Die Schreibweise veränderte sich im Lauf der Jahre nur wenig, und schon 1170 heißt es Parchim oder 1202 Parchem, wobei beide Formen früher wechselweise zur Anwendung kamen.
Als inoffizielle und volkstümliche Bezeichnung der Stadt wird „Pütt“ seit den 1920er Jahren erstmals in der Literatur erwähnt und ist heute in der Region weit verbreitet. Das plattdeutsche Wort für „Pfütze“ spielte wahrscheinlich auf die Größe des Parchimer Wockersees an, wird aber heute mit der Stadt in Zusammenhang gebracht.
Geschichte
Mittelalter
Die erste urkundliche Erwähnung einer Burg Parchim erfolgte 1170 in einer Urkunde des Kaiser Friedrich I. zu Frankfurt am Main. Erweitertes Stadtrecht erhielt Parchim 1225/26 durch Heinrich Borwin II. Von 1238 bis 1248 war Parchim Residenz des Fürstentums Parchim-Richenberg. Fürst Pribislaw I. gründete 1240 am westlichen Eldeufer die Parchimer Neustadt. Beide Städte (Alt- und Neustadt) schlossen sich 1282 zusammen. 1289 brannte ein Teil der Altstadt ab.
Die St. Georgenkirche, damals noch eine Basilika, wurde schwer beschädigt. Sie wurde neu aufgebaut und 1307 geweiht. 1246 kamen Mitglieder des Franziskanerordens nach Parchim. Die Brüder errichten ihren Konvent am Rande der Neustadt (Aufhebung im Zuge der Reformation 1552/53). Um 1250 wurde auch mit dem Bau der gotischen Marienkirche in der Neustadt begonnen. 1278 erfolgte die Weihe der Kirche der Neustadt St. Marien.
Zwischen 1286 und 1310 errichtete man die Stadtmauer, teilweise noch sichtbar, mit einer Länge von 2,7 Kilometern, einer Dicke von 90 Zentimetern und einer Höhe von 5,5 Metern. In die Stadt kam man durch die drei Stadttore: Neues Tor, abgebrochen 1797, 1833 und 1838, Kreuztor, abgebrochen 1847/48, Wockertor. Das Wallhotel, die heutige Sparkasse am Moltkeplatz, ist das erste Gebäude, das 1863 außerhalb der Stadtmauer gebaut wurde.
Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts wurde die Parchimer Landwehr errichtet. Sie war der äußerste Ring der mittelalterlichen Stadtverteidigungsanlagen in Parchim. Im Norden an der Straße zu Sternberg ist von der alten Wehranlage noch ein Wartturm, der sogenannte Fangelturm erhalten geblieben. An der Südgrenze des Stadtgebietes befinden sich ebenfalls gut erhaltene Reste dieser spätmittelalterlichen Wallanlage zur Grenzsicherung.
1316 tritt Parchim als Sprecher auf dem Städtelandtag auf. 1377 kaufte die Stadt die Fürstenburg und 1384 verpflichtete Parchim den Münzmeister Tile von Kampen. 1410 wurde die Schützengilde gegründet. Um 1500 hatte die Stadt ca. 3.000 Einwohner.
16. bis 19. Jahrhundert
Schon um 1530 fand in Parchim die Reformation statt und 1540 ließ sich der Generalsuperintendent „Riebling” in Parchim nieder. Bald darauf verließen 1550 die Franziskanermönche die Stadt. Joachim Loew arbeitete ab 1548 als erster Buchdrucker in der Stadt. 1563 fanden immer noch Hexenprozesse statt. Die Große Stadtschule (Lateinschule) wurde 1564 errichtet. Erneuert wurde in Parchim 1586 durch einen Stadtbrand die halbe Altstadt zerstört. Auch wurde die Stadt 1604 von einer Pest betroffen.
1620 hatte die Stadt ca. 5.000 Einwohner. Aber der Dreißigjährige Krieg hinterließ von 1637 bis 1639 unermessliche Schäden. 1612 vernichtete ein Stadtbrand wieder große Teile der Stadt. Die Pestepidemie von 1626 ging nicht spurlos an Parchim vorbei, sie forderte 1.600 Todesopfer. Nach dem Krieg lebten 1648 in Parchim nur noch ca. 1.300 Menschen.
Parchim konnte sich jedoch wieder erholen. Von 1667 bis 1708 war der Sitz des Hof- und Landgerichts in Parchim. Von 1733 bis 1788 befand sich Parchim unter einer preußischen Pfandbesetzung. Die Einwohnerzahl erhöhte sich wieder bis 1789 auf ca. 4.000. Im 18. Jahrhundert siedelten sich auch Juden im Ort an, die sich am Voigtsdorfer Weg westlich des Wockersees ihren Jüdischen Friedhof einrichteten, auf dem bis 1938 Begräbnisse stattfanden.
Ein letzter großer Rückschlag erfolgte während der Besetzung durch napoleonische Truppen im Jahre 1806. In den folgenden Befreiungskriegen wurde 1813 der Parchimer Landsturm gegen Napoleon geführt. Nach 1815 erholte sich die Stadt allmählich.
Von 1818 bis 1840 hatte anstelle des Hof- und Landgerichts das Oberappellationsgericht seinen Sitz in Parchim. Dafür wurde das Rathausgebäude 1818 erweitert und umgebaut (s. Rathaus).
1827 entstand das Friedrich-Franz-Gymnasium, 1838 die Gewerbeschule, 1841 die Realschule, 1848 die städtische Volksschule, 1873 das Mittelschulhaus, 1890 ein größeres Gymnasialgebäudes, die heutige Goethe-Schule und 1892 das neue Volksschulhaus, die heutige Fritz-Reuter-Schule.
Parchim erhielt 1832 eine demokratischere Stadtverfassung und 1838 eine neue Gesindeordnung.
Schon 1819 wurde eine Tuchfabrik errichtet, dann folgten 1841 die Papiermühle, 1858 die Maschinenfabrik Bauer, 1874 die Backofenfabrik und 1889 die Viktoriamühle. Ab 1863 fand die weitere Bebauung auch außerhalb der Stadtmauer statt.
1867 wurde Parchim Standort des 2. Mecklenburgischen Dragonerregimentes Nr. 18.
Der Ausbau der Infrastruktur erfolgte u. a. 1841 mit dem Bau der Ludwigsluster Chaussee, 1862 mit dem Telegrafenamt und der Gasanstalt und 1880 bekam die Stadt Eisenbahnanschluss, die Strecke Parchim–Ludwigslust wurde in Betrieb genommen und 1885 erfolgte der Anschluss an das Eisenbahnnetz der Mecklenburgischen Südbahn auf der Strecke Neubrandenburg-Parchim. Dazu wurde in Parchim die Mecklenburgische Südbahn-Gesellschaft im Jahr 1883 gegründet.
20. und 21. Jahrhundert
1905 wurde die Villa Heucke zum Krankenhaus umgebaut. 12.805 Einwohner hatte die Stadt um 1910. 1906 entstand das Wasserwerk und 1921 erhält Parchim elektrischem Strom. Seit 1925 ist Parchim Amtssitz bzw. Kreisstadt. Das neue Gebäude des Landratsamts wird 1936 gebaut.
Mit Beginn des 1. Weltkrieges war am Stadtrand von Parchim auf dem ehemaligen Kavallerieexerzierplatz eines der größten Kriegsgefangenenlager Deutschlands mit einer Kapazität von bis zu 25.000 Gefangenen eingerichtet worden. Unter trostlosen Bedingungen waren hier zeitweise 15.000 Kriegsgefangene aus Russland, Frankreich, Belgien, Serbien und England untergebracht. Insgesamt 1402 von ihnen starben hier. Auf Initiative und mit Spenden der Lagerinsassen wurde auf dem Lagerfriedhof am Dammer Weg ein Denkmal errichtet und am 4. Juni 1916 geweiht. Die Pflege und Erhaltung der Anlage obliegt seit 1922 der Stadt Parchim.
1936 erfolgte der Bau eines Flugplatzes. Der nationalsozialistische Terror erfasste auch Parchim: 1937 wurden 22 jüdische Familien misshandelt; sie wanderten aus oder sie wurden in ein KZ deportiert. Beim Novemberpogrom 1938 wurde der Jüdische Friedhof geschändet und zerstört. Reste davon wurden 1947 zu einer kleinen Gedenkstätte umgewandelt. Von 1939 bis 1945 wurde ein Zwangsarbeiterlager im Stadtteil Bramfeld betrieben, in dem etwa 1.000 polnische und sowjetische Frauen und Männer untergebracht waren, die in rüstungswichtigen Bereichen Zwangsarbeit verrichten mussten. Außerdem wurde ein Durchgangslager für ausländische Zwangsarbeiter errichtet, das eine Frequenz von 50.000 Personen aufgewiesen haben soll. An sie erinnert außer einem Grabstein kein Zeichen des Gedenkens. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Stadt selber weitgehend unzerstört. Um den 3. Mai 1945 erfolgte der Einzug der Roten Armee.
In der Schweriner Straße 3/4 errichtete während der SBZ-Zeit die sowjetische Geheimpolizei NKWD eine Dienststelle, in deren Gefängnis im Keller brutale Verhöre von angeblich antisowjetischen Festgenommenen stattfanden. Eine Gedenktafel erinnert daran seit 1993. 1951 wurden die Lehrer am Gymnasium Erich Creutzfeldt und Dr. Karl Richter mit anderen Parchimern verhaftet. Nach der Verurteilung zu 20 Jahren Zwangsarbeit wurden sie in das sibirische Lager Taischet in der UdSSR deportiert, wo Richter starb und Creutzfeldt stark erkrankte.
1946 wurde – wie in vielen Orten – ein Kulturbund gegründet. Die Tuchfabrik wurde 1948 enteignet und zum „Volkseigentum“. Der Zusammenschluss von Tischlern zu einer Produktionsgenossenschaft erfolgte 1955 und 1958 entstand ein „Volkseigenes Gut“. 1961 wurde das Gasbetonwerk und 1968 das Hydraulikwerk gebaut. Ab 1963 entwickelte sich die Weststadt als Großwohnsiedlung, zumeist in Plattenbauweise. Die Stadt wird um 1970 in die Liste der regionalen Stadtdenkmale der DDR aufgenommen, die Altstadt aber nicht saniert.
Auch nach der Wende von 1989/90 blieb 1994 Parchim Kreisstadt des neuen, größeren Landkreises Parchim.
Nach 1991 wurde die historische Altstadt im Rahmen der Städtebauförderung und des Programmes Städtebaulicher Denkmalschutz wieder gründlich saniert. 1992 wurde auch die Regimentsvorstadt als Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme in die Stadterneuerung einbezogen. 1997 erfolgte die Fertigstellung der Rathaussanierung. Ab 1993 wurde auch die Wohnsiedlung Parchim-West durch Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung und im Rahmen des Stadtumbau-Ost saniert.
Sehenswürdigkeiten
- Der Stadtkern von Parchim mit seinen zwei Zentren in der Altstadt (um St. Georgen) und in der Neustadt (um St. Marien), durchflossen von der Elde und umgeben von den Wallanlagen, ist ein gut erhaltenes regionales Flächendenkmal mit vielen Einzeldenkmalen.
- Die Pfarrkirche St. Georgen ist eine Hallenkirche aus Backsteinen in der Altstadt. 1289 wurde mit dem Bau der gotischen Kirche begonnen. Im Inneren sind Reste von mittelalterlichen Wandmalereien erhalten. Der neugotische Altaraufsatz von Möckel wurde am Ende des 19. Jahrhunderts gefertigt. Beachtlich sind die beiden spätgotischen Triumphgruppen, die achteckige steinernde Taufe von 1619, die Kanzel von 1580, der Leptzow-Altar von 1421 und das Ratsgestühl (1608/1623).
- St.-Marienkirche ist eine Pfarrkirche und Hallenkirche, die in der Neustadt steht. Die Gewölbe und die Strebepfeiler stammen aus dem 14. Jahrhundert. Der Westturm von 1310 hatte die Türme der Lübecker Marienkirche zum Vorbild. Zu den wertvollsten Ausstattungsstücken zählen die Bronzetauffünte von 1365, der Marienaltar aus der Zeit um 1500, zwei Glocken von 1514, die Kanzel und die Orgelempore von 1601 und die jüdischen Grabsteine aus dem 13. und 14. Jahrhundert.
- Zahlreiche Fachwerkhäuser prägen den Historischen Stadtkern der Altstadt und den der Neustadt von Parchim. Hervorzuheben sind die Häuser Alter Markt 2 (1618), Langestr. 24 (1612), Lindenstr. 3 (1583), Lindenstr. 6 (1604/1650), Mühlenstraße 37/38 (1691), Mittelstr. 12 (nach 1588), Schuhmarkt 7 (1612) und in der Apothekenstraße 1 die Apotheke von 1703.
- Das Zinnhaus in der Langenstraße 24 von 1612 ist der zweitälteste erhaltene Profanbau in Parchim. Das Fachwerkhaus – einst auch Haus des Stadtwachtmeisters – hat sich nach seiner hervorragenden Sanierung zu einem wichtigen Kunst- und Kulturzentrum entwickelt.
- Das Rathaus am Alten Markt ist ein langgestreckter zweigeschossiger Backsteinbau, ursprünglich aus dem 14. Jahrhundert. 1818 wurde der Bau für das Mecklenburgische Oberappellationsgericht von dem Architekten Johann Georg Barca grundlegend umgebaut, wobei die gotische Architektur beibehalten wurde. Der neue Eingang vom Altmarkt liegt mittig zur Längsachse, ergänzt um einen Vorbau. Um 1995 wurde das Rathaus nochmals gründlich saniert und modernisiert.
- Die mittelalterliche Stadtbefestigung ist nur noch in Teilen als Mauer und sehr gut als Wallanlage erkennbar. Die Mauer im Bereich des Wallhotels ist bis zu einem Meter breit. Die mittelalterlichen Stadttore sind leider im 19. Jh. abgetragen worden.
- Das ehemalige Kaiserliches Postamt von 1883 am Schuhmarkt ist ein gutes Beispiel für die öffentlichen Bauten aus der Gründerzeit um 1900. Der Entwurf stammte von Prof. Hubert Stier aus Hannover.
- Zu den interessantesten Bauten der Stadt gehören die 1934/35 errichtete damalige städtische Sparkasse, heute Dresdner Bank(Schuhmarkt 8) und das 1935/36 gebaute Kreishaus, das heutige Amtsgericht am Moltkeplatz. Beide Bauten sind Werke von Prof. Paul Schultze-Naumburg.